Aktuelles / SC Hessen Dreieich ist Geschichte

Der letzte Vorhang fällt

(Quelle: OP-online vom 16. März 2024)

VON JÖRG MOLL Elf Jahre sind genug. Am Saisonende wird der SC Hessen Dreieich als Verein endgültig Geschichte sein. Stimmen die Mitglieder zu, gliedern sich die verbliebenen sechs Jugendmannschaften in den FV 06 Sprendlingen ein.

Dreieich – Mit reichlich Getöse im Vorfeld hatte die Geschichte des SC Hessen Dreieich begonnen. Heimlich, still, aber eher sang- und klanglos wird sie enden. Denn dass die Mitglieder der Eingliederung der verbliebenen sechs Jugendteams, je zwei E-, D- und C-Jugendmannschaften, zum FV 06 Sprendlingen nicht zustimmen, darf getrost als ausgeschlossen gelten. Für den kommenden Dienstag, 19.30 Uhr, hat der Vorstand um Präsident Professor Dr. Andreas Grau in den VIP-Raum des Ahorn-Sportparks Dreieich geladen. Anfragen unserer Zeitung über die Hintergründe dieses Vorhabens ließ der Klub unbeantwortet.

Die Geschichte eines Vereins, der 2013 aus der Taufe gehoben wurde, wird also aller Voraussicht nach Ende Mai ihr Ende gefunden haben. Fußball wird auch weiterhin gespielt werden an der Lettkaut. Nur eben nicht mehr mit Vereinen aus Dreieich. „Ich finde das sehr bedauerlich, dass Dreieicher Vereine ein Sportgelände in Dreieich dann nicht mehr nutzen können“, sagt der Offenbacher Kreisfußballwart und Sportkreisvorsitzende Jörg Wagner zu dieser Entwicklung.

Denn es gilt als gesichert, dass Eintracht Frankfurt ab der kommenden Saison alleiniger Nutzer des 35 000 Quadratmeter großen Geländes sein wird. Schon in dieser Saison trägt die U21 in der Regionalliga ihre Spiele in Dreieich aus. Daneben trainiert auch die zweite Frauenmannschaft, die in der 2. Bundesliga antritt, an der Lettkaut. 2022 hat die Eintracht 62,5 Prozent der Anteile an der DSBM, der 2013 zur Renovierung der einstigen sportlichen Heimat des SC Buchschlag installierten Dreieich Sportstätten Betriebs- und Marketing GmbH gekauft.

Maßgeblicher Motor und Investor: Hans Nolte. Der Inhaber der in Dreieich ansässigen Firma Hahn Air war mit ambitionierten, zuweilen auch aberwitzigen Plänen ins Rennen gegangen. 2017 etwa sinnierten der Klub und sein allmächtiger Boss über eine deutsch-chinesische Nachwuchsakademie. 2020 sollte aus dem SC Hessen der International Soccer Club Rhein-Main werden. Dann kam Corona – und plötzlich schlingerte der SC Hessen in der Abwärtsspirale. Zunächst wurden die U19 und U17 aus Kostengründen aufgelöst. 2022 zog sich der Klub aus der Hessenliga zurück. Ein Abgesang auf Raten.

Begonnen hatte alles mit durchaus großem Getöse und stets auch mit reichlich Diskussionen. Nolte hatte mit der Installation der DSBM die Dreieicher Fußballwelt völlig auf den Kopf gestellt. 2013 übergab die SKG Sprendlingen ihr Spielrecht an den neu gegründeten SC Hessen Dreieich, der dadurch in der Verbandsliga an den Start gehen konnte. Susgo und FC Offenthal, TV und SV Dreieichenhain, der FV 06 Sprendlingen und die SG Götzenhain hatten sich dem neuen Konstrukt als assoziierte Mitglieder angeschlossen, weil die DSBM zugesagt hatte, Gelder für den Erhalt der Sportstätten zur Verfügung zu stellen. Der SC Buchschlag ist seither Geschichte.

Geld war lange genug da, nicht zuletzt, um den SC Hessen auf immer größere Fußball-Landkarten zu bringen. Unter Trainer Thomas Epp gelang der Aufstieg in die Hessenliga, 2017 dann unter Rudi Bommer der erste Titelgewinn in der Hessenliga, dem aber das Veto des Investors in Sachen Aufstieg in die Regionalliga schon Wochen zuvor vorausgeeilt war. Nolte hatte es vorgezogen, zunächst in die Struktur, sprich: in den Ausbau des Stadions zu investieren. Zudem hatte er die Jugendarbeit intensivieren wollen.

Der Himmel hing voller Geigen, als Bommers Team, mittlerweile unterstützt von Frankfurts Fußball-Legende Charly Körbel als SC-Vizepräsident, ein Jahr später wieder Hessenmeister wurde. Der Emporkömmling lief fortan in der Regionalliga Südwest gegen Traditionsklubs wie den SSV 1846 Ulm, Waldhof Mannheim oder Kickers Offenbach auf. In der Semi-Profiliga bekam das Hochglanzprodukt erste Schrammen. Die Mannschaft war nicht konkurrenzfähig, wurde dann teuer verstärkt, ohne den Turnaround zu schaffen. Altstars wie Constant Djakpa fristeten ein gut bezahltes Schattendasein in der Liga. Der Höhepunkt der Saison sollte der 2:1-Sieg im Hessenpokal-Viertelfinale bei Kickers Offenbach werden. Der Held für einen Abend war Danny Klein, ein SKG-Urgestein, mit zwei Treffern. Heute kickt er übrigens beim SV Hummetroth, einem von einem ebenso reichen wie eigenwilligen Mäzen geführten Odenwald-Klub.

Dass die verbliebenen Jugendteams nun zum FV 06 Sprendlingen übersiedeln sollen, stößt beim Ortsrivalen SKG bitter auf. Der Klub, der mittlerweile wieder eine Männermannschaft im Spielbetrieb hat, verfügt mit elf Jugendteams über die größte Nachwuchsabteilung in der Stadt. „Wir wurden nicht mal gefragt“, ärgert sich SKG-Jugendleiter Torsten Stroh. Offen ist auch, wie viele Spieler mit zum FV 06 gehen. Der SC Hessen hatte in einem großen Radius Spieler angesprochen und mit attraktivem Angebot gelockt. Das größte Pfund waren Trainingsbedingungen. All das ist nun mit dem Abschied aus der Lettkaut Geschichte.

Wichtigste Daten

20. Juni 2013: Der SC Hessen Dreieich übernimmt das Spielrecht der SKG Sprendlingen, die im Juni 2013 über die Aufstiegsrelegation in die Verbandsliga Süd aufsteigt.

2. Oktober 2014: Der SC Hessen Dreieich spielt in der Verbandsliga erstmals auf dem restaurierten Sportgelände an der Lettkaut in Sprendlingen.

16. Mai 2015: Mit Ex-Profi Thomas Epp als Trainer feiert der SC Hessen Dreieich am drittletzten Spieltag die vorzeitige Meisterschaft in der Verbandsliga Süd.

21. Mai 2016: Seine erste Spielzeit in Hessens höchster Fußball-Klasse beendet der SC Hessen auf Platz 13. Seit Januar wird das Team von Rudi Bommer trainiert.

20. Mai 2017: Der SC Hessen wird Meister der Hessenliga, verzichtet aber aus strukturellen Gründen auf den Aufstieg in die Regionalliga.

5. Mai 2018: Rudi Bommer führt den SC Hessen erneut zum Titelgewinn in der Hessenliga. Dieses Mal nimmt der Klub den Aufstieg in die Regionalliga Südwest wahr.

4. August 2018: Das erste Heimspiel in der Regionalliga Südwest geht im neuen Hahn Air Sportpark mit 0:1 gegen den TSV Steinbach Haiger verloren.

23. Oktober 2018: Der SC Hessen gewinnt im Viertelfinale des Hessenpokals überraschend bei Kickers Offenbach mit 2:1.

1. April 2019: Karlheinz Körbel, seit Juni 2016 Vizepräsident, tritt von seinem Amt zurück. Einen Tag später folgen ihm Trainer Rudi Bommer und dessen Assistent Ralf Weber. Der SC Hessen ist zu diesem Zeitpunkt Vorletzter (19 Punkte). Volker Becker, bis dato Torwarttrainer, übernimmt bis Saisonende.

18. Mai 2019: Der SC Hessen Dreieich, der zwischenzeitlich im Halbfinale des Hessenpokals am späteren Sieger SV Wehen Wiesbaden scheitert (1:3), verabschiedet sich mit einer 1:3-Niederlage beim 1. FC Saarbrücken als Tabellenletzter aus der Regionalliga Südwest.

1. Juli 2019: Lars Schmidt übernimmt offiziell die Trainingsleitung.

7. März 2020: Die Dreieicher verlieren 0:4 beim KSV Hessen Kassel, danach wird die Hessenliga-Spielzeit in Folge der Corona-Pandemie abgebrochen.

15. März 2020: Der SC Hessen kündigt an, seine Herrenmannschaft in den neu gegründeten International Soccer Club Rhein-Main auszulagern. Zweieinhalb Monate später zieht der Klub den Antrag zurück.

8. Juni 2020: Sasan Tabib wird neuer Trainer des SC Hessen. Er bleibt aber Vorsitzender seines Klubs SV Pars Neu-Isenburg.

24. Oktober 2020: Am zwölften Spieltag gewinnt der SC Hessen 2:0 gegen den 1. FC 06 Erlensee. Anschließend zwingt Corona den Amateurfußball wieder zum Abbruch der Saison.

20. Juni 2021: Der Verein trennt sich überraschend von Tabib. Nachfolger wird Taner Yalcin.

28. Mai 2022: Die Dreieicher beenden die Aufstiegsrunde der Hessenliga auf Platz drei, beschließen aber die Abmeldung der ersten Mannschaft vom Spielbetrieb. Der Verein tritt fortan nur noch mit sechs Jugendteams an.  jm

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